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„SCHULD UND SÜHNE“


Günther Patzak will den Kleindealer Miroslav Tasci festnehmen.


Oliver Hoppe verhindert die Festnahme seines ehemaligen Klassenkameraden.


Sonja Hoppe, Olivers Mutter, betreibt eine bei Polizisten beliebte Eckkneipe.


Oliver Hoppe wird tot aufgefunden.


Schimanski recherchiert im tristen Polizeirevier Ruhrstraße.


Hänschen und Hunger: Eine ermordete Rumänin im Hafen.


Schimanski lässt die bei Hoppe gefundenen Drogen verschwinden.


Kommissar von Röden residiert im Duisburger Innenhafen.


Razzia vor Hochofenkulisse.


Anschlag auf das Auto von Marie-Claire.


Schimanski besucht seine verletzte Lebensgefährtin.


Freunde: Schimi und Hänschen.

 Pressestimmen

In vielen Serien altern zwar die Schauspieler, aber ihre Rollen scheinen zeitlos zu sein. Da gibt es Polizisten, die über Jahrzehnte nie befördert oder pensioniert werden. Nicht so bei Schimanski. Das macht die Krimi-Reihe so sehenswert.
Götz George ist mittlerweile 72 Jahre alt, und seine Rolle Schimanski vermutlich nur unwesentlich jünger. Regisseur Thomas Jauch und Drehbuchautor Jürgen Werner, die mit „Schuld und Sühne“ ihren zweiten Schimanski vorlegen, verschweigen das nicht – sie machen genau daraus einen faszinierenden Film. Horst Schimanski ist ein alter Mann und unterstreicht dies mit mal nostalgischen und mal melancholischen Rückgriffen auf sein Leben. Gleich in der ersten Szene rekapituliert er seinen Werdegang: wie er Automaten und Autos geknackt hat und dann von seinem späteren Vorgesetzten Königsberg von der Straße und zur Polizei geholt wurde. „Er hat es mir beigebracht, was dieser Beruf eigentlich bedeutet“, sagt er seinem Kontrahenten, dem korrupten Schutzpolizisten Günther Patzak (brillant gespielt von Hannes Jaenicke).
Schimanski lässt keinen Zweifel aufkommen, auf welcher Seite er steht. Auch wenn er den Frust der Polizisten, die sich gegenüber respektlosen Kleindealern immer hilfloser vorkommen, nachvollziehen kann. „Das ist ein Scheiß-Job, möchte ich heute nicht mehr machen.“ Den Sohn einer guter Freundin (Ulrike Kriener als Sonja Hoppe), der gerade mal seit einem halben Jahr bei der Polizei ist, mahnt er, sich nicht alles gefallen zu lassen: „Wir sind immer noch Bullen.“ Oliver Hoppe (Jan Pohl), der im selben Revier wie Patzak arbeitet, antwortet: „Du bist gar nichts, Schimanski. Du hast keine Ahnung, was bei uns abgeht.“
Wenig später wird Hoppe tot aufgefunden. „Wir klären Morde auf, nicht Selbstmorde“, wird Schimanski von Hauptkommissar Hunger (Julien Weigend) abgefertigt, als er nach den Hintergründen fragt.
Schimi zieht seine Feldjacke an und recherchiert auf eigene Faust. Er findet das Fotohandy des Toten – mit dem er erstaunlich behände umgeht – und stößt rund um das zwielichtige Polizeirevier Ruhrstraße auf einen Sumpf von korrupten Beamten, die über Leichen gehen, Drogen und Frauenhandel.
Widerwillig redet Schimanski mit Hauptkommissar Max von Röden (Johann von Bülow), dem Leiter des Kommissariats für interne Ermittlungen. Dieser trägt ein „von“ im Namen und eine Dreiteiler. Sein Büro ist nicht im altmodischen Polizeipräsidium mit seinen dunkel furnierten Aktenschrankwänden. Sondern im H2 Office, einem avangardistischen Bürogebäude im Innenhafen. Von seinem Fenster aus überblickt er ein Duisburg, das den Strukturwandel geschafft hat. Schimanski wirkt so, als ob er da nicht richtig reinpasst.
Die Razzia in einem Bordell passt hingegen eher zum alten Duisburg des pensionierten Hauptkommissars. Der Puff steht in einer engen Wohnstraße, scheinbar unmittelbar vor zwei Hochöfen. Selbst hier macht der Strukturwandel nicht Halt. Während der linke Hochofen schmutzig-braun und alt aussieht, ist der rechte in leuchtend roten Farbtönen angestrichen: ein modernes High-Tech-Aggregat, das nachts sogar angestrahlt wird, wie wir im Film sehen.
Solche Szenen, die die dramaturgisch beeindruckende Enge des Raumes zwischen Wohnstraßen und Arbeitswelt zeigen, wird es nicht mehr lange geben. Die Bordellkulisse wurde in einem längst leeres Haus im Norden von Beeck eingerichtet, das in Kürze zugunsten des Grüngürtels rund um das Bruckhausener Thyssen-Stahlwerk abgerissen wird.
Thomas Jauch hat es geschafft, mit seinen wenigen Duisburger Drehtagen ein differenziertes Duisburg-Bild zu zeichnen. Die Kulisse der in Köln gedrehten Szenen ist hingegen nicht immer überzeugend. Die „Gereonswäscherei“, die von der Frau des ständig unter finanziellen Schwierigkeiten leidenden Polizisten Patzak betrieben wird, liegt trotz vor der Tür geparkter Autos mit „DU“-Kennzeichen offensichtlich im Kölner Gereonsviertel.
Das Drehbuch zeichnet in einzelnen Details ein seltsames Duisburg-Bild. „Hierher kommt man normalerweise mit einer Hundertschaft“, behauptet ein Polizist vor einem verfallenen Haus, das angeblich in Marxloh stehen soll. Wer jetzt ein Szenerie dramatischer sozialer und kultureller Konflikte erwartet, wird enttäuscht. In der einsamen Villa hausen ein paar harmlos-punkig aussehende Jugendliche. Der einzige türkische Migrant in „Schuld und Sühne“ betreibt Schimanskis Stamm-Pommes-Bude. Er verkauft gleichzeitig Kalbs-Döner und Currywurst aus Schweinefleisch. Die Integration ist gelungen. Die Kleinkriminellen stammen vom Balkan.
Mit Currywurst versucht Schimi seine Lebensgefährtin Marie-Claire (Denise Virieux) im Krankenhaus ungelenk zu überraschen – statt mit Blumen oder Pralinen. Sie wurde bei einem Anschlag auf ihr Auto schwer verletzt, während Schimanski mit ein paar Kratzern davon kam.
Es ist eine bedrückende Geschichte von Verrat und gebrochenem Vertrauen, nicht ganz einfach zu verstehen, die uns in „Schuld und Sühne“ präsentiert wird. Schimanski wirkt schwermütig und einsam, obwohl er nicht allein ist. Witze machen die anderen, über ihn und sein Rentnerdasein. Richtig wohl scheint er sich nur zu fühlen, wenn er mir Hänschen (Chiem van Houweninge) spricht. Selbst mit ihm ist er sich nicht immer einig – aber beide nehmen sich gegenseitig ernst. Auch der aus den Niederlanden stammende Hauptkommissar mag nicht mehr richtig in die Zeit passen, er hat es sicherlich nicht mehr weit bis zur Pensionierung.
Schimanski tritt keine Türen mehr ein. Zu wehren weiß er sich jedoch. Um eine junge Rumänin aus den Fängen des Zuhälters zu befreien, prügelt er sich mit diesem und tritt ihm voll in die Eier. „Ich weiß, so wehren sich nur Mädchen“, entschuldigt er sich. Aber du, in meinem Alter …“
„Mad World“ heißt die Musik, zu der Schimanski am Ende des Films langsam das Revier Ruhrstraße verlässt. Kein fröhlicher Abgang, aber die gab es bei seinen Filmen eh nicht so oft. Immerhin scheint es kein endgültiger Abschied zu sein, denn in dieser Form wollen wir ihn weiterhin sehen. Wenn wir Glück haben, müssen wir nicht erneut zweieinhalb Jahre warten, bis es soweit ist.

Harald Schrapers · 2011   



Fotos: © WDR

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