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EINE GASSE FÜR SCHIMANSKI

Wenige Tage vor seinem 75. Geburtstag, den Horst Schimanski am 9. Oktober 2013 feierte, tat sich Überraschendes in seiner Heimatstadt: In Ruhrort wurde ein zuvor namenloser Weg per gestricktem Straßenschild auf „Schimmi-Gasse“ getauft. Gleichzeitig beantragte die örtliche CDU, dass diese Bezeichnung zum offiziellen Straßennamen wird, und trat damit eine Kontroverse los. Denn 2013 war Schimanski längst eine lebende Legende, aber immer noch aktiv. Und es gehört sich nicht, Straßen nach lebenden Persönlichkeiten zu benennen.




Ein neues Straßenschild in Duisburg-Ruhrort.

Horst Schimanski sei lediglich eine fiktive Person, behaupten diejenigen, die mit ihm noch nie besonders viel anfangen konnten. Doch nach fiktiven Figuren sollte man in der Regel eh keine Straßen benennen – mit gutem Grund. Denn niemand braucht eine Schimanski-Gasse, die sich zwischen einer Donald-Duck-Straße und einer James-Bond-Allee einreiht.

Jahrzehntelang hatte die Duisburger Bevölkerung ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem berühmtesten noch lebenden Sohn. Etwa die Hälfte der Einwohner verehrt den unkonventionellen Ex-Polizisten. Die andere Hälfte schämt sich für ihn. „Wer in Duisburg eine langweilige Gesellschaft in Stimmung bringen will, der muss nur das Thema Schimanski einspielen“, schrieb Alt-Oberbürgermeister Josef Krings (SPD) in seinen Erinnerungen. Er räumte ein, erst spät gelernt zu haben, auf die Darstellung von Ruhrgebiets-Klischees gelassen zu reagieren. Dann aber habe er den Kameramann verstanden, „der auf die Hochöfen zufährt und von der brutalen Ästhetik fasziniert wird“.

Selten war das Verhältnis zwischen Schimanski und der Duisburger Politik unverkrampft. Krings Nachfolgerin, Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling (SPD), schaltete bei Schimanski den Fernseher erst gar nicht ein. Sie wisse immer schon vorher, was auf sie zukommt, begründete sie ihre Ablehnung. Noch drastischer agierte ihr Stellvertreter, Bürgermeister Heinz Pletziger (CDU). Er beantragte, der Filmreihe die im Abspann genannte „freundliche Unterstützung“ zu entziehen.

1981: Hauptkommissar Schimanskis erster Auftritt in Duisburg-Ruhrort.

Selbst 2012 spielte die Schimanski-Kontroverse noch eine Rolle im Oberbürgermeister-Wahlkampf, nachdem die Bürgerinnen und Bürger Adolf Sauerland (CDU) mit neuem Selbstbewusstsein aus der Stadt gejagt hatten. Während SPD-Kandidat Sören Link die Industrie des Stahlstandorts Duisburg als eines der größten Potenziale der Stadt benannte, hielt CDU-Konkurrent Benno Lensdorf dagegen. Er schrieb sich sein Engagement gegen das angeblich bundesweit vorherrschende „Schimanski-Image“ Duisburgs auf die Fahnen ( RP). Umso überraschender ist Lensdorfs Sinneswandel ein Jahr später. Er wolle gemeinsam mit Schimanski gegen das „Negativimage“ der Stadt vorgehen, erklärte er gegenüber der  FAZ. „Er gehört einfach zu uns“, gab sich Lensdorf geläutert. Er zählte deshalb gemeinsam mit der CDU-Bezirksvertreterin Stefanie Kreitz zu den Unterstützern eines Antrags, in Ruhrort eine so genannte „Schimmi-Gasse“ zu schaffen. Der für das Ansinnen genannte Grund war profan: Die Förderung der örtlichen Gastronomie.

Mangelndes Selbstbewusstsein im Umgang mit seinem von Arbeit geprägtem Erbe und seiner industriellen Gegenwart war und ist in Duisburgs Öffentlichkeit immer latent vorhanden. Schon die allererste Kameraeinstellung im Jahr 1981 – der Blick aus Schimanskis Wanheimer Wohnung auf das Rheinhausener Krupp-Werk – war für manchen Duisburger ein Schock. War Duisburg wirklich so grau? Inzwischen dominieren dort statt schmutziger Industriegebäude und Hochöfen eine grüne Vegetation, blaue Hafenbecken und bunte Logistikhallen. Manch einer tut bis heute so, als ob die althergebrachten Industriearbeitsplätze nur ein notwendiges Übel seien, die man dankend gegen moderne Dienstleistungsjobs eintauschen würde.

Dass man eine stillgelegte Eisenhütte nicht abreißt, sondern zu einem Landschaftspark umbauen kann, hat man im Ruhrgebiet erst spät gelernt. Manch älterem Duisburger leuchtet das bis heute nicht ein. Warum soll man so etwas Hässliches als Kulisse für ganz andere Dinge oder gar für Freizeitaktivitäten verwenden? Die Filmemacher im Umkreis der Münchener Filmhochschule, die über die Schimanski-Figur nachdachten, wussten die Antwort schon Anfang der achtziger Jahre. Für sie war Duisburgs Kulisse die schönste in ganz Deutschland. Der atemberaubende Kontrast zwischen Wasser, Grün und Industrie, zwischen Rheinaue und Hochofen besitzt eine einmalige Ästhetik.

Außerhalb seiner Heimat ist Horst Schimanski schon lange Kult. In Duisburg selbst hatte er es schwer. 2000 stellte die Duisburg Agentur erstmals eine Gruppe von Gästeführern zusammen, um Führungen als touristisches Angebot vorhalten zu können. Neben etwas Industriekultur ging es dabei vorrangig um Gerhard Mercator und das mittelalterliche Duisburg. Schimanski kam in den von den Gästeführern ausgearbeiteten Führungen mit keiner Silbe vor. Denn das würde die Stadtspitze nicht so gerne sehen, wurde erzählt. Wenn in der Stadtinformation doch mal jemand nach einer Führung fragte, die den berühmten Ex-Polizisten nicht ausklammert, wurde solch eine Anfrage quasi unter der Ladentheke bearbeitet.

Erst 2012 änderte sich das. Die Düsseldorfer Journalistin Dagmar Dahmen bot die erste Schimanski-Tour in Duisburg-Ruhrort an. Die Stadt hatte damit gar nichts zu tun, sondern es war ihre private Initiative. Sie vollbrachte das Kunststück, eine kompakte Fußgängertour zu vielen Drehorten stimmig zu entwickeln, obwohl die Filme nur sehr mittelbar in Duisburg spielen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Duisburg ist lediglich die Kulisse. Außerdem wurden sehr viele Szenen in München oder Köln gedreht.

Dahmen und ihr Ein-Frau-Unternehmen DU Tours war und ist erfolgreich. Die Reisebeilage nahezu jeder Zeitung in Deutschland hat inzwischen über die Ruhrort-Tour berichtet. Auch Oberbürgermeister Sören Link (SPD) war einmal dabei. Er nennt bei Fragen nach seinem Lieblingsfilm die Schimanski-Krimis („pure Nostalgie und Emotion“), denn er steht für eine Generation, die damit aufgewachsen ist.

Die Idee für die Benennung des 25-Meter-Weges in Ruhrort stammt von Dagmar Dahmen und ist im Rahmen ihrer Führungen entstanden. Es sollte gewissermaßen eine Straße „von Fans für Fans“ werden. Doch dann reklamierte die CDU-Frau Stefanie Kreitz die „Schimmi-Gasse“ gegenüber den Medien als ihre Idee und hatte sie als Antrag in die Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort eingebracht. Doch dieser Antrag scheiterte letztlich an der Verniedlichungsform „Schimmi“ (oder müsste es „Schimi“ heißen?), bei der man nicht feststellen konnte, wer daran die Urheber- oder Markenrechte besitzt. Die kleine Wählerinitiative „Deine Stimme“ korrigierte den „gnadenlos vergeigten“ CDU-Vorstoß und beantragte stattdessen eine „Horst-Schimanski-Gasse“. Hier war wenigstens klar, dass die Rechte an diesem Namen beim WDR liegen, und der hat gegen eine solche Werbung für seine Produktionen naturgemäß nichts einzuwenden. Seit Juni 2014 gibt es das Straßenschild, sang- und klanglos wurde es aufgehängt.

Schimanski wurde eh nicht gefragt, was er von dieser Ehrung hält. Seine Antwort kann man sich ausmalen. Vermutlich würde er sagen: „So ein Scheiß …“

 WAZ: Schimanski-Ärger
 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: Wir Leute aus der Horst-Schimanski-Gasse
 Frankfurter Allgemeine: Ein Ruhrort für Schimanski  
 dpa: „Horst-Schimanski-Gasse“ hat nun Straßenschilder

Harald Schrapers · 2013/aktualisiert 2014  


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