STERN Nr. 51 vom 10.12.1998

„Nicht der Arsch der Nation“

FERNSEHEN / Viele Duisburger sorgen sich um das Image ihrer Stadt, das sie durch den rabaukigen Polizei-Macho Schimanski in den Dreck gezogen sehen

Schmuddel-Kommissar Schimanski war wieder zu Hause. In seinem Apartment türmte sich der Müll. Junkies campierten auf dem Boden, überall Ratten. Im Hintergrund das Panorama von Duisburg.

Da kam Bürgermeister Heinz Pletziger der Kaffee hoch. „Wir sind doch nicht der Arsch der Nation“, polterte der CDU-Politiker. Schimanski und seinen geistigen Vätern solle man endlich die Leviten lesen. Die Filme über den durchgetickten Bullen seien „fatal in der Auswirkung“ für die Pütt-Metropole. Die Duisburger CDU-Fraktion reichte einen Antrag im Kulturausschuß ein. Betreff: „Einstellung der Unterstützung der Stadt Duisburg bei Dreharbeiten für Schimanski-Filme“. „Rattennest“ war nach Ansicht der Kritiker „vorläufiger Höhepunkt in der Kette der Zerrbilder über Duisburg“. Bürgermeister Pletziger: „Das hat das Faß zum Überlaufen gebracht.“

Duisburg solle dem Bavaria-Filmverleih die „Sorge über die katastrophalen Folgen der klischeehaften Zustandsbeschreibung der Stadt und ihrer Einwohner vortragen“, hieß es in dem Antrag. Der Hinweis „Wir danken der Stadt Duisburg für ihre freundliche Unterstützung“ im Abspann der Filme müsse gestrichen werden. Das erwecke den Eindruck, als würde sich die Stadtverwaltung mit dem gezeigten „grob-falschen Bild auch noch identifizieren“.

Auch der SPD-Fraktionsgeschäftsführer hält „Rattennest“ für einen „schlimmen Film“, und die Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling (SPD) sah sich den Streifen erst gar nicht an, „weil ich wußte, was auf mich zukommt“. Dennoch wurde der Antrag mit den Stimmen von Rot-Grün im Rat abgeschmettert. Für viele Ruhrgebiets-Sozis ist Schimanski „der letzte proletarische Held“. Er habe ein völlig neues Ruhrgebiets-Selbstbewußtsein geweckt. Zu seinen besten Zeiten jubelte die linke „taz“: „Ein Hauch von Oktober-Revolution wehte durch die Wohnzimmer.“

Genauso wollen die Niederrhein-Jusos den Ruhr-Bullen immer noch sehen. Im Internet pflegen sie „Die Horst-Schimanski-Homepage“. Die erzählt das Märchen vom tapferen Horst zwischen stillgelegten Zechen und Stahlwerken. „Dort, wo die Klassengegensätze überschaubar sind und es noch fiese Kapitalisten und in der Wolle gefärbte grundanständige Proletarier gibt.“

Doch der Polizei-Macho ging schon 1981 mit seinem ersten Film „Duisburg-Ruhrort“ manchen Pütt-Bewohnern kräftig auf den Senkel. Die „Neue Ruhr Zeitung“ (NRZ) forderte damals: „Werft den Prügel-Kommissar aus dem Programm.“ Der Leiter der Duisburger Mordkommission erklärte: „Bei mir dürfte dieser Mann nicht mal Fahrraddiebstähle bearbeiten.“

Wäre nicht Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Josef Krings tapfer an Schimmis Seite getreten, es hätte womöglich nie 29 Tatort-Folgen mit Götz George und Eberhard Feik als Tanner gegeben. Von der im vergangenen Jahr gestarteten Reihe „Schimanski“ ganz zu Schweigen. Als Dank bekam „Papa“ Krings zum 60. Geburtstag eine Lederjacke von Schimmi.

Und als Schimanski seinen Dienst als Tatort-Kommissar längst quittiert hatte, bekam man sich in Duisburg wegen des rabaukigen Filmhelden immer noch in die Wolle. Die Juso-Hochschulgruppe hatte vorgeschlagen, der Duisburger Uni den Namen „Horst-Schimanski-Gesamthochschule“ zu geben. Schließlich habe Schimmi den Fernsehzuschauern die Ruhrgebietskultur „auf sympathische Art“ nahegebracht. Ein Jahr lang dauerte der Namensstreit. Dann wurde die Universität nach dem Kartographen Gerhard Mercator benannt. Für Heinz Pletziger ist der Kampf um die Ehre seiner Heimatstadt noch nicht zu Ende. Auch wenn die SPD seinen Antrag als „provinziell“ zurückgewiesen hat, sieht er sich durch die Reaktionen aus der Bevölkerung bestätigt: „Bei mir steht das Telefon nicht mehr still.“ Der Chef des Duisburger Kaufhof teilte Pletziger mit, wie dankbar er für den mutigen Vorstoß sei.

Um weiteren Ärger von Duisburg abzuwenden, traf sich Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling jetzt mit der „Schimanski“-Produktionsfirma zu einem „klärenden Gespräch“. Den Hinweis auf die „freundliche Unterstützung“ der Stadt Duisburg im jüngsten Schimanski-Film, der vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, hatte die Firma zwar eiligst getilgt: „Der Dank soll nicht als Ironie verstanden werden.“ Statt dessen lief ein Dankeschön an die Städte Düsseldorf und Köln über den Bildschirm. Nebenkriegsschauplätze.

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